Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11. Dezember 2024 sorgt für Diskussionen in der Versicherungsbranche. Es geht um die Einstufung von Grundfähigkeitsversicherungen (GFV) und die daraus resultierenden Kündigungsmöglichkeiten für Versicherer. Das Urteil, das aus einem Rechtsstreit zwischen der Verbraucherzentrale Hamburg und der Axa entstand, könnte weitreichende Folgen für die Beratung und Produktgestaltung haben.
Kernpunkte des BGH-Urteils
- Grundfähigkeitsversicherungen und Dread-Disease-Policen knüpfen nicht unmittelbar an eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit an.
- Daher könnten für sie nicht die besonderen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) gelten, wie es bei der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) der Fall ist.
- Dies könnte bedeuten, dass solche Verträge auch ordentlich gekündigt werden könnten.
Hintergrund des Verfahrens
Der Fall betraf die Kündigung von Unfall-Kombirentenverträgen durch die Axa. Die Verbraucherzentrale argumentierte, dass diese Verträge BU-Komponenten enthielten und daher nicht ohne besonderen Grund hätten gekündigt werden dürfen. Der BGH entschied jedoch, dass die gekündigten Verträge einer Sachversicherung unterliegen und somit ein ordentliches Kündigungsrecht besteht. Dies gelte laut BGH auch für Grundfähigkeits- und Schwere-Krankheiten-Versicherungen.
Reaktionen der Versicherer und Experten
Die Reaktionen der Versicherer fallen unterschiedlich aus. Einige, wie die Versicherungskammer Bayern und die DEVK, betonen, dass ihre GFV-Produkte als Lebensversicherungen konzipiert seien und daher den strengeren Regeln für Lebensversicherungen unterlägen, was eine ordentliche Kündigung ausschließe. Andere, wie Swiss Life, Allianz und Hannoversche, prüfen die Auswirkungen noch.
Experten wie Matthias Helberg und Guido Lehberg sind sich uneinig über die Tragweite des Urteils. Während Helberg auf die Notwendigkeit von Rechtssicherheit und klaren Erklärungen der Versicherer pocht, hält Lehberg die Aufregung für übertrieben, da das Urteil sich auf eine spezifische Unfallversicherung beziehe und GFV, die als Lebensversicherung konzipiert sind, nicht betreffe.
Was Vermittler jetzt tun sollten
Versicherungsrechtler raten Vermittlern, die Produkte genau zu prüfen und gegebenenfalls rechtsverbindliche Erklärungen von den Anbietern einzufordern, dass bestehende und neue Verträge wie Lebensversicherungen behandelt werden. Es wird empfohlen, GFV nicht mit BU gleichzusetzen oder als reine Arbeitskraftabsicherung zu bewerben. Bei Unsicherheiten sollten Kunden informiert und gegebenenfalls alternative Absicherungen angeboten werden.
Die klare Einordnung der GFV als Lebens- oder Sachversicherung bleibt entscheidend. Versicherer, die ihre GFV als Lebensversicherung anbieten, sehen sich durch das Urteil nicht direkt betroffen, da hier ein ordentliches Kündigungsrecht nicht vorgesehen ist. Es bleibt jedoch die Notwendigkeit für Transparenz und klare Kommunikation seitens der Versicherer, um Unsicherheiten bei Vermittlern und Kunden auszuräumen.
Quellen
- BGH-Urteil zur Grundfähigkeitsversicherung: Was Vermittler wissen müssen, procontra.
- Nach dem BGH-Urteil: Muss die Grundfähigkeitsversicherung jetzt auf den Prüfstand?, procontra.
- BGH-Urteil zur Grundfähigkeitsversicherung: „Wir brauchen Rechtssicherheit", procontra.
- So reagieren GF-Versicherer auf das aktuelle BGH-Urteil, AssCompact.